Was passiert bei Stress im Gehirn – und warum du im Kita-Alltag plötzlich anders reagierst als du willst
Dieser Satz klingt wie aus einer Werbung, aber neurobiologisch betrachtet ist er absolut richtig.
"Du bist nicht du, wenn du gestresst bist!"
Denn bei Stress übernimmt in deinem Gehirn ein uraltes Alarmsystem das Kommando – und dein Denkzentrum schaltet auf Sparflamme. Das passiert nicht nur bei Kindern, sondern auch bei uns Erwachsenen. Vor allem in hektischen, lauten oder emotional aufgeladenen Situationen – wie sie in Kitas oder im Familienalltag ständig vorkommen.
Ein Blick ins Gehirn – was passiert da eigentlich?
Unser Gehirn arbeitet in solchen Momenten nach dem „Triune Brain“-Modell (Paul MacLean, 1960er), das grob in drei Bereiche unterteilt wird:
1. 🧠 Reptiliengehirn (Hirnstamm): zuständig für Überleben – Atmung, Herzschlag, Flucht oder Angriff.
2. 🧠 Limbisches System (inkl. Amygdala): unsere Gefühlszentrale – sie prüft ständig: Gefahr oder keine Gefahr?
3. 🧠 Neokortex (v.a. präfrontaler Kortex): hier sitzt das „Denkhirn“ – für Planen, Entscheiden, Mitgefühl, Impulskontrolle.
Im Stressfall ruft die Amygdala Alarm – sie „überstimmt“ das Denkzentrum. Dein Gehirn handelt dann reflexartig – nicht bewusst. Das nennt man Amygdala-Hijack (Daniel Goleman, 1995 – Emotionale Intelligenz).
Und was bedeutet das im Alltag?
In stressigen Situationen…
• … sagst du Dinge, die du gar nicht so meinst.
• … wirst du lauter, obwohl du ruhig bleiben wolltest.
• … interpretierst Blicke oder Sätze negativ.
• … fühlst du dich überfordert – obwohl objektiv „nichts passiert“ ist.
• … kannst du nicht mehr klar denken oder Lösungen finden. Der präfrontale Kortex ist wie dein innerer Coach.Wenn er im Stress ausgeschaltet wird, übernimmt dein innerer Notfallmodus.
Das kannst du tun: Denkzentrum aktivieren & raus aus dem Stresskreislauf
Hier kommen 3 einfache, aber wissenschaftlich belegte Strategien, die dein Gehirn zurück in die Balance bringen:
✅ 1. Atmen wie die Navy SEALs: die 4–6–8-Regel
→ 4 Sekunden einatmen – 6 halten – 8 ausatmen.
Das aktiviert deinen Parasympathikus, den „Beruhigungsnerv“, senkt den Puls und bringt den PFC wieder online.
🔬 Quelle: Dr. Andrew Weil, Harvard Medical School
✅ 2. Boden unter den Füßen spüren – Reizleitung unterbrechen
Beide Füße fest auf den Boden. Spüre dein Gewicht. Bewege kurz deine Zehen.
Warum das hilft? Du signalisierst deinem Körper: Ich bin sicher. Ich bin da.
🔬 Quelle: Polyvagal-Theorie nach Stephen Porges
✅ 3. Sprich aus, was du fühlst – Sprache reguliert Emotion
Wenn du z. B. sagst: „Ich merke, ich bin gerade richtig angespannt“ – dann aktiviert dein Gehirn automatisch den präfrontalen Kortex.
Das nennt man:
„Name it to tame it“ – Benenn es, um es zu zähmen
🔬 Quelle: Dr. Daniel Siegel, UCLA Psychiater & Neuroforscher
Und bei Kindern?
Kinder haben noch keinen ausgereiften Denk-Kortex.
Sie brauchen uns Erwachsene als „Co-Regulator:innen“.
Wenn du ruhig bleibst – auch im Stress – hilft das dem Kind, sich mitzuregulieren.
Dein emotionaler Zustand ist ansteckend – ob du willst oder nicht.
FAZIT
Wenn du im Stress anders reagierst als du willst, liegt das nicht an mangelnder Disziplin.
Es ist dein Gehirn, das versucht, dich zu schützen.
💬 Und je besser du verstehst, was in dir passiert, desto gezielter kannst du dich wieder in Balance bringen – für dich, für dein Team, für die Kinder.
zum weiterlesen:
• Daniel Goleman (1995): Emotionale Intelligenz
• Dr. Daniel Siegel: Das achtsame Gehirn, UCLA
• Dr. Stephen Porges: Die Polyvagal-Theorie
• Dr. Andrew Weil: Breathing Techniques, Harvard
• Paul D. MacLean: Triune Brain Model