„Vorbeugen ist besser als heilen.“ – Prävention psychischer Erkrankungen: Soziale Risikofaktoren

"Vorbeugen ist besser als heilen." - Prävention psychischer Erkrankungen: Soziale Risikofaktoren

„Es ist kein Maß für Gesundheit, in einer zutiefst kranken Gesellschaft gut angepasst zu sein.“ sagte einst Jiddu Krishnamurti (20. JH). Dieses Zitat macht anschaulich begreifbar, dass soziale Begebenheiten unsere psychische Gesundheit beeinflussen. 
In diesem Artikel will ich dir einige positive und negative soziale Einflussfaktoren vorstellen. 
Wenn du (soziale) Schutz- und Risikofaktoren deiner Psyche kennst, kannst du deine momentane psychische Verfassung besser verstehen und eingreifen, um deine psychische Gesundheit zu stärken. 

 

Bio-Psycho-Soziales-Modell

Wieso erkranken manche Menschen bei geringen Belastungen an einer psychischen Erkrankung, während andere schwerste Belastungen aushalten und psychisch gesund wirken? 
Das liegt and der psychischen Vulnerabilität, bzw. Resilienz eines Individuums. 
Die psychische Vulnerabilität eines Individuums beschreibt dessen Wahrscheinlichkeit durch eine Belastung an einer psychischen Störung zu erkranken. Ist die Vulnerabilität hoch, so braucht es nur eine kleine Belastung, um psychisch zu erkranken. Ist die Vulnerabilität niedrig, so ist man Resilient: Man hält auch größere Stressoren aus, ohne zu erkranken. Um psychisch gesund zu bleiben ist es also wichtig die eigene Resilienz zu stärken, indem man die eigene Vulnerabilität senkt. 
Nach dem Bio-Psycho-Sozialen Modell setzt sich die psychische Vulnerabilität aus Biologischen, Psychischen und Sozialen Faktoren zusammen. In diesem Artikel stelle ich dir soziale Faktoren vor, die zu Vulnerabilität (Risikofaktoren) bzw. zu Resilienz (Schutzfaktoren) beitragen. 
 

Soziale Risikofaktoren:

Soziale Risikofaktoren:

„Es ist kein Maß für Gesundheit, in einer zutiefst kranken Gesellschaft gut angepasst zu sein.“
sagte einst Jiddu Krishnamurti (20. JH). Dieses Zitat macht anschaulich begreifbar, dass soziale Begebenheiten unsere psychische Gesundheit beeinflussen. 
Risikofaktoren: Die bisherige Forschung hat folgende soziale Einflussfaktoren herausgearbeitet, die die Vulnerabilität eines Individuum erhöhen können: 

Kultur

  • Eine Kultur bestimmt das Leben von Menschen maßgeblich, zum Beispiel ihre Denk- und Verhaltensmuster, Umgangsweisen, Normen, das Bildungssystem, die Familienstrukturen und das psychosoziale Versorgungssystem.
  • Ein Beispiel: Während in Deutschland die Erziehung des Kindes von den Eltern, im weitesten Sinne von der Familie, übernommen wird, besteht in einigen afrikanischen Kulturen die Tradition Kinder in der Dorfgemeinschaft großzuziehen.

Wohnort

  • Negativ auf die psychische Gesundheit wirken sich aus: 
  • Einkommensungleichheit, da sie das Vertrauen unter den Bewohnern schwächt. Das wiederum schwächt soziale Bindungen und führt zu Stress. 
  • Wahrgenommene Kriminalitätsrate
  • Wohnqualität (z.B. fehlende Parks), Luftverschmutzung und Lärm
  • Geringe Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln, (trinkbarem) Wasser, Gesundheitsdienste, rechtsstaatliche Absicherungen, Präventionsmaßnahmen

Sozioökonomischer Status

  • Hierzu zählen u.a. der höchste Schulabschluss, das Einkommen, die aktuelle Beschäftigung und der Lebensstandard. Ein niedriger sozioökonomische Status erhöht die Vulnerabilität stark, indem er zu chronischem Stress führt und den Zugang zu gesundheitsförderlichen Ressourcen einschränkt. Ein Mensch mit wenig Geld macht sich Sorgen, woher er seine nächste Mahlzeit kriegen soll, Stress entsteht.
  • Je früher man von sozioökonomischer Benachteiligung betroffen ist, desto höher die Vulnerabilität. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen sind 2 – 3 Mal häufiger von psychischen Problemen betroffen. Erklärt werden kann dies u.a. durch eine Mangelernährung, chronischen Stress der Eltern und damit einhergehende mangelnde Ressourcen zur Fürsorge.

Diskrimination und soziale Ungleichheit

  • Menschen bestimmter Ethnien sind durch rassistische Diskriminierung, Mikroaggressionen (z.B. )  und strukturellem Rassismus (z.B. schlechtere Wohnmöglichkeiten und schwerer Zugang zu Bildung) stärker psychischen Belastungen ausgesetzt. Gleichzeitig fällt es ihnen schwerer eine psychotherapeutische Behandlung zu kriegen. So ist selbst bei wohlständigen schwarzen Amerikanern das Risiko für eine schlechte Gesundheitszustand größer als bei armen weißen Amerikanern. Kinder sind besonders stark belastet durch rassistische Diskriminierung, sie leiden häufiger an traumatischen Ereignissen, erleben häufiger familiäre Konflikte oder finanzielle Not. Kinder, die rassistischer Diskriminierung ausgesetzt waren, zeigen ein geringeres Hirnvolumen in Bereichen auf, die wichtig für die psychische Gesundheit sind (Hippocampus, Amygdala, Präfrontaler Kortex).
  • Auch Menschen, die nicht Heterosexuell sind, erleiden in ihrem Leben Diskriminierung, Mobbing und Gewalt. Gleichzeitig erhalten sie von ihrem Umfeld, Familie und Freunde, häufig keine adäquate Unterstützung, so werden sie bei einem Coming-Out häufig noch ausgegrenzt. 

Keine (physische) Sicherheit

Die physische Sicherheit ist gefährdet, wenn man Gewalt, Missbrauch, Krieg oder Umweltkatastrophen ausgesetzt ist. Das erzeugt massiven Stress.

Elterliches Erziehungs- und Bindungsverhalten

  • Ein negatives Bindungsverhalten, geprägt davon nicht angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen zu können, führt im Kind zu einem negativen Selbst- und Weltbild, das (häufig) bis ins Erwachsenenalter anhält. Dazu zählen Glaubenssätze wie „Ich bin nicht gut genug.“, „Ich kann niemandem vertrauen.“, die zu einem konstant hohen Stressniveau führen. Außerdem erlernt das Kind durch eine fehlende Bindung zum Elternteil keine funktionalen Emotionsregulationskompetenzen. Folgende Erziehungsstile gelten als Risikofaktoren: überbehütend, emotional nicht unterstützend (abwesend), stark kritisierend und abwertend. 

Negative Kindheitserfahrungen

  • In der Forschung wurde oft belegt, dass negative Kindeserfahrungen zur Entstehung psychischer Erkrankungen beitragen. Zu den negativen Kindeserfahrungen zählen (physische, sexuelle und emotionale) Misshandlungen und familiäre Dysfunktionen (z.B. wenn ein Elternteil (oder beide) Substanzmittel (Drogen, Alkohol) missbraucht, eine psychische Erkrankung hat oder Inhaftiert wird).

Einfluss von Gleichaltrigen

  • Mit zunehmenden Alter wird der Kontakt zu Gleichaltrigen immer relevanter für die psychische Gesundheit. Mit ihnen erlebt man neue Bindungserfahrungen, die wiederum das Selbst- und Weltbild beeinflussen. Gleichaltrige können als negative Vorbilder dienen und so Störungsverhalten (z.B. Drogenkonsum, übertriebene Diäten) attraktiv erscheinen lassen oder dem Selbstwert durch negative Kommentare schaden.

Soziale Isolation/ Einsamkeit

  • Soziale Isolation ist objektiv messbar an der Anzahl der sozialen Kontakte. Einsamkeit beschreibt ein subjektives Gefühl der sozialen Trennung. Besonders schädlich für die psychische Gesundheit ist chronische Einsamkeit, diese kann zu Depressionen, Angstzuständen und sogar Suizidversuchen beitragen. Nach Schätzungen könnten 11-18% der Depressionen vermieden werden, wenn Einsamkeit „abgeschafft“ werden würde. 

Soziale Schutzfaktoren:

Aus diesen Risikofaktoren leiten sich folgende Schutzfaktoren ab: 

  • Ein Wohnort, in dem man seinen Nachbarn vertraut, Zugang zu Parks und Grundversorgung hat. Außerdem sollte die Luftverschmutzung möglichst niedrig und es eher leise sein. Sehr wichtig ist in einer Umgebung zu leben, die einem physische Sicherheit verspricht. 
  • Ein gutes soziales Netz, das einen auch bei Stressoren wie Diskriminierung unterstützt und vor Einsamkeit bewahrt.
  • Stabile Beziehungen zu den Bezugspersonen (z.B. Eltern). Diese zeichnen sich durch ein fürsorgliches, liebevolles und feinfühliges Miteinander aus. 
  • Als Eltern sollten wir darauf achten die Bindung zu unseren Kindern möglichst positiv zu gestalten. Ein wichtiges Mittel dazu ist Feinfühligkeit und die eigenen Bindungsmuster zu er- und überarbeiten. 
  • Es gibt ein Sprichwort „Du bist die Summe der fünf Personen, mit denen du Zeit verbringst“, suche dir also deine engsten Bezugspersonen weise aus. Wie lassen sie dich fühlen? Fühlst du dich von ihnen wertgeschätzt? Helfen sie dir, so zu werden/sein, wie du sein willst? 

In diesem Artikel hast du kennengelernt welche Faktoren deines Umfeldes deine psychische Vulnerabilität (Gesundheit) beeinflussen. Dazu zählen dein Wohnort, die Kultur, in der du lebst, dein sozioökonomischer Status, deine Beziehung zu deiner Familie und Gleichaltrigen, negative Kindheitserfahrungen, Diskrimination und soziale Isolation/ Eingebundenheit. 

Hast du in diesem Artikel Risikofaktoren gefunden, deren Einfluss auf deine psychische Gesundheit du gerne verändern würdest? Dann wandle sie in Schutzfaktoren um. Gerade bei deiner Beziehung zu Gleichaltrigen, Einsamkeit, deinem Wohnort und deinem Sozioökonomischen Status hast du Handlungsspielraum, d.h. du kannst deine Situation verbessern. 

Quellen:

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